Eine Kopie der vollständigen Akte, die im Jugendamt über Ihre Familie geführt wird, ist die Grundlage dafür, dass Sie sich verteidigen und Ihre Rechte schützen können. Es reicht nicht aus, die Akte nur vor Ort kurz einzusehen, wenn Sie zum Beispiel Missverständnisse und Falschdarstellungen in der Akte berichtigt haben wollen. Nur die Kopie der vollständigen Akte verschafft Ihnen den selben Kenntnissstand wie das Jugendamt, so dass Sie auf Augenhöhe argumentieren können.

Seit dem 25.Mai 2018 gilt die neue Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Nach Art. 15 DS-GVO haben alle Bürgerinnen und Bürger ein Auskunftsrecht bezüglich der über sie gespeicherten Daten. Jede datenführende Stelle (Behörden, online-Handel, online-Plattformen wie facebook etc.) ist verpflichtet, Ihnen auf Anfrage Auskunft zu erteilen, welche konkreten Daten zu Ihrer Person verarbeitet wurden.

Dies ist den Jugendämtern in der Regel nicht bekannt oder wird ignoriert. Selbst Rechtsanwälte lassen sich in ihrer Forderung nach einer vollständigen Kopie der Akte abschrecken durch Aussagen wie „Dass Sie die komplette Akte als Kopie bekommen, nein, das machen wir nie. Das ist ja unsere Leistungsakte. Das haben wir noch nie gemacht. Ich glaube nicht, dass wir das müssen.“

Auch wird der Antrag auf Akteneinsicht häufig einfach nicht bearbeitet. Auf mehrfache Nachfrage heißt es dann zum Beispiel, das Jugendamt sei leider vollkommen überfordert (Personalmangel, hoher Krankenstand, etc.), so dass die Bearbeitung viele Monate in Anspruch nehmen könne. Oder die Akteneinsicht wird unter Nennung eines Paragraphen gleich ganz verwehrt, z.B. nach § 25 SGB X Abs. 3:

Die Behörde ist zur Gestattung der Akteneinsicht nicht verpflichtet, soweit die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen.

Hier ist als dritte Person, zu deren Schutz die Eltern die Akte nicht sehen dürfen, meistens das Kind gemeint. Dem liegt die Verdächtigung der Eltern als böswillige Kindesmisshandler zugrunde, denen man nicht offenlegen dürfe, dass man Straftäter in ihnen sieht. Ohne dass dieser schwere Verdacht sachlich und juristisch abschließend geprüft wurde, wird somit gegen die Eltern gearbeitet anstatt mit Ihnen und die transparente Zusammenarbeit verweigert. In der Mehrzahl der Fälle jedoch wäre den Familien vor der Inobhutnahme mit milderen Mitteln schnell zu helfen gewesen, und das mit geringerem finanziellen Aufwand. (Hier geht es nicht um Kriminalitätsbekämpfung bei sexuellem Missbrauch, Gewalt gegen Kinder oder schwere Vernachlässigung.)

Argumentiert das Jugendamt damit, dass die komplette Akteneinsicht dem Wohl des Kindes entgegenstünde, können Sie dieses Argument leicht widerlegen, wenn das Kind schon alt genug und verständig ist (fortgeschrittenes Schulalter) und selbst schriftlich dem Jugendamt mitteilt, dass es wissen möchte, was über seine Familie geschrieben wurde.

Auch wird oft versucht, die Akte in Teilen zu verwehren, indem sie nur geschwärzt zur Verfügung gestellt wird. Als Begründung wird z.B. § 65 Abs. 1 SGB VIII genannt, also dass die Akte oder Teile vertraulich wären.

All diese Begründungen müssen nach dem neuen Datenschutzgesetz nicht mehr widerspruchslos hingenommen werden.

Hier die Anleitung, um eine Kopie der vollständigen Akte zu erhalten:

Sie müssen den Antrag nicht begründen und brauchen hierfür auch keinen Anwalt. Es genügt „Ich/wir beantrage eine Kopie der vollständigen Akte nach § 15 Datenschutz-Grundverordnung und bitte um Zusendung bis zum xx.yy.“

Eine angemessene Fristsetzung (zwei bis max. drei Wochen) sollte genannt werden, damit Sie nach Ablauf der Frist bei Bedarf den Datenschutzbeauftragten hinzuziehen können.

Für die Kopien kann ein geringes, angemessenes Entgelt anfallen.

Üblicherweise handelt es sich um mehrere Akten, denn es wird oft aufgeteilt in „Leistungsakte“, „Kinderschutzakte“, Unterbringungsakte, etc..

Wenn Sie die Akte erhalten haben, können Sie deren Vollständigkeit daran erkennen, ob sie durchlaufend nummeriert ist. Bei unvollständiger, nicht durchnummerierter oder teilweise geschwärzter Akte können Sie diesen Verstoß gegen das Datenschutzgesetz beim Datenschutzbeauftragten ihres Bundeslandes melden. Das selbe gilt, wenn Sie nach Ablauf der Frist garkeine Kopie erhalten haben.

Die Beschwerde wegen Verwehrung der Aktenkopie können Sie in vielen Bundesländern bequem online eingeben, hier als Beispiel die Berliner Datenschutzbeauftragte:

Der/Die Datenschutzbeauftragte wird dann das Jugendamt anschreiben und um Erklärung bitten. Nach unserer Erfahrung müssen die üblichen Argumente der Jugendämter (siehe oben) zurückstehen hinter dem Auskunftsrecht nach § 15 DS-GVO. (Wie bereits erwähnt, geht es hier nicht um die Fälle von strafrechtlich nachgewiesenem Missbrauch, sondern um die zahlreichen falsch-positiven Diagnosen.)

Wer dann endlich die Akte über seine Familie in den Händen hält, findet den Inhalt oft haarsträubend (ungeprüfte Behauptungen statt Fakten, Missverständnisse, etc.). Auf der Grundlage der Kopie kann man Falschdarstellungen etc. anmahnen und deren Richtigstellung verlangen. Die Berichtigung von falschen personenbezogenen Daten kann auf Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes verlangt werden, auch hier ggfls.mit Hilfe des Datenschutzbeauftragten.

Mithilfe eines Rechtsanwaltes kann man nun das weitere Vorgehen prüfen und eventuell auch das Jugendamt für den entstandenen Schaden in Haftung nehmen.

Es gibt aktuell nur wenige Rechtsanwälte, die Familien gegen das Jugendamt vertreten wollen. Wenn Sie auf der Suche nach einem Rechtsbeistand sind, können Sie bei der Rechtsanwaltskammer nach einem auf Familienrecht und Kindschaftsrecht spezialisierten Anwalt fragen. Im Internet haben wir drei Kanzleien gefunden, die sich explizit mit dem Thema „rechtswidrige Eingriffe durch Jugendämter“ befassen und auf ihren Internetseiten Informationen für betroffene Familien bereitstellen:

Weitere Informationen zu den Themen Dienstaufsichtsbeschwerde, Strafanzeigen gegen das Jugendamt wegen Kindesentziehung oder Verleumdung und Schadensersatzklagen folgen hier in Kürze.

Wichtiger Hinweis: Es handelt sich hierbei nicht um eine Rechtsberatung, sondern um private Hinweise. Wir übernehmen deshalb auch keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.